Im Zusammenhang mit diesem Blog und seinen Rezensionen hat es schon viele kleine Premieren gegeben. So habe ich z.B. irgendwann hier erstmals ein Buch rezensiert, das ich gar nicht gelesen hatte (also ein bisschen so wie im Studium der Literatur[wissenschaft], als es auch rein zeitlich gar nicht möglich war, alles von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen, was man hätte lesen müssen).
Ich habe ein anderes Buch „anrezensiert/-moderiert“, das mir abhanden gekommen war zwischen meinen verschiedenen Standorten und diversen Taschen. Das war dann keine Premiere mehr.
Ich habe, ein andermal, erstmals kein Buch, sondern ein Hörspiel und etwas später zum ersten Mal einen einschlägigen Film rezensiert. Doch: Wichtig und ebenso verbindend wie verbindlich dabei ist, dass das Thema des Œuvres – egal ob Buch, Film, Hörspiel, einzelnes Gedicht oder Gemälde – zum Kern und Ziel dieses Blogs passt: Unterwegs-Sein, Verloren-Gehen, Heimat-Suchen und manchmal auch -Finden. Das muss sein, damit der Blog seinen roten Faden nicht aufribbelt.
Da mir die Autorin des Werkes, um das es heute geht, schon recht lange persönlich bekannt und obendrein noch sehr sympathisch ist (schlecht für die Objektivität), war es mir also wichtig, dass ihr neuester Roman – um es vorwegzunehmen: ein Thriller – einen Bezug dazu aufweist. Dessen konnte sie mich versichern. Und unabhängig davon handelt es sich hier auch nicht um eine Gefälligkeitsrezension. Das liegt schon allein daran, dass ich – ähnlich wie die Autorin Connie Klein auch von sich selbst sagt – „eigentlich keine Thriller mag“ (https://www.connieklein.de/%C3%BCber-mich).
Aber was sie mag, das weiß ich, sind die USA, ich glaube, insbesondere die Westküste, Bruce Springsteen, gute Vorbilder und American Rockmusic. Doch das allein macht den Thriller, den sie hier vorlegt, noch nicht zu einer Premiere, zumal sie mit diesen Vorlieben sicherlich nicht allein ist. Mindestens zwei davon kann ich teilen, die anderen zumindest verstehen, was ja erstmal satt und genug ist.
Nein, die Premiere ist, dass die Textgrundlage, anhand derer ich diese Review schreibe, kein physisch vorhandenes „Rezensionsexemplar“ ist, sondern eine „Rezi-Datei“, die mir die Autorin per Mail zur Verfügung gestellt hat. Der Thriller „Rock must die“ ist nämlich „körperlos“ und – bis auf weiteres – erstmal „nur“ als E-Book erhältlich. Das finde ich völlig okay, denn meines Erachtens ist das ohnehin die Publikationsform der Zukunft … oder zumindest eine wesentliche, wichtige davon.
Noch etwas Interessantes entdecke ich auf der Autoren-Homepage von Connie Klein:
Sie hat die Abbildung dort mithilfe von KI generiert und weist dies auch entsprechend so aus:
Abbildung KI-generiert (unterstützt durch Dall-E, 28.04.2024)
Finde ich gut und richtig und zeitgemäß so – und schlecht ist das Ergebnis auch nicht geworden, sondern kann sich durchaus sehen lassen, und zwar hier:
https://www.connieklein.de/rock-must-die
Aber kommen wir endlich zum Inhalt! Da Connie vom Fach ist, versteht sie sich natürlich auch auf „Klappentexte“ und geschicktes “Spoilern“. Auf ihrer Homepage teasert sie den Thriller so an, dass ich, wie ich schon eingangs erwähnte, kein Fan von Thrillern, durchaus Lust bekomme, weiterzulesen:
Boston, USA, 2019. Detective Carolyn Matthews [die eine von zwei Heldinnen des Thrillers] hat nicht viel mit Rockmusik am Hut. Als sie die Ermittlungen zum Brandanschlag auf eine Konzerthalle übernimmt, will sie nur, dass ihre beste Freundin, die musikbegeisterte Psychologin Emily Erin Parker [das ist die andere], endlich wieder schlafen kann. Doch die Graffiti-Botschaft, die der mutmaßliche Attentäter am Tatort hinterlässt, ist noch nicht getrocknet, da wird aus dem Surf Ballroom ein ähnlicher Anschlag gemeldet. Ein Zufall?
Spätestens beim Anschlag auf Graceland wird ein erschreckendes Muster deutlich:
Der „Musikbomber“ hat es auf Schauplätze der Musikgeschichte abgesehen.
Als Carolyn und Emily tiefer in die Strukturen des Musikbusiness eintauchen, geraten sie selbst ins Fadenkreuz. Und der Täter ist noch lange nicht fertig …
Und zack!, ist man drin, oder?! Die Neugier und typische Krimilust auf Spurensuche und „Who dunnit?“-Täterfang ist geweckt – am liebsten möchte man die beiden Ladies sofort dabei unterstützen oder ihnen zumindest über die Schulter gucken bei ihren Ermittlungen. Und das Setting ist durch einige wenige Keywords gesetzt – das Fenster zu Erinnerungen an und Vorstellung von den USA ist geöffnet. Ich bin „angetriggert“. Dabei mag ich doch gar keine Thriller … sagte ich das schon?!
Doch wie kommt man nun dran an dieses „körperlose“ Buch?! Schließlich scheint es ja nicht nur die Rockmusik selbst zu sein, die hier zum Sterben verurteilt und auserkoren wurde, sondern auch ein paar „echte“ Menschen, die ihr anhängen. Klar!, auch E-Books kann man kaufen, und zwar so:
Last but not least gibt es jetzt hier noch eine Leseprobe, die ich mir ohne Schießerei und ganz ohne vorherige Morddrohung (aber auch ohne Erlaubnis) von Connie Kleins Homepage geklaut habe. Aber ich denke, das darf ich!
Und Ihr (wir duzen uns, oder?!) dürft nun mit eintauchen in den Gestank nach Spätschicht und Erschöpfung und den penetranten Geruch von Bohnerwachs mit Bourbon … in einem stickigen kleinen Café an einer Straßenecke von Boston, die vermutlich eher schmuddelig ist.
Leseprobe
Detective Carolyn Matthews lehnte sich zurück und gähnte. Ihr Mantel klebte wie ein nasses Handtuch an der Stuhllehne, und er stank erbärmlich nach Spätschicht. Daran änderte auch diese eigenartige Mischung aus Bohnerwachs und Bourbon nichts, die in dem kleinen Eckcafé im Bostoner Norden zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Luft zu hängen schien.
Seufzend korrigierte sie ihre Haltung, während die schmalen Fingerspitzen ein windschiefes Peace-Zeichen nachfuhren, das Emily vor einer halben Ewigkeit in die Tischplatte aus Mahagoniholz geritzt hatte.
Carolyn griff nach einem verkratzten Kaffeelöffel, der vermutlich schon zum Inventar gehört hatte, als sie fast zwanzig Jahre zuvor zum ersten Mal in das kleine Café in der Salem Street gestolpert war. Behutsam tauchte sie ihn in die Tasse mit Milchkaffee, die dampfend auf dem Tisch vor ihr stand, während ihr Blick zum Schaufenster wanderte. Von draußen peitschte der Regen gegen die riesige Glasscheibe mit dem ausgeblichenen Schriftzug „Bruno’s Cozy Corner“.
Ein guter Ort für einen Zwischenstopp nach einem anstrengenden Arbeitstag. Dabei ließ Carolyns zierliche Statur nicht vermuten, dass sie kaum zwei Stunden zuvor noch einen mutmaßlichen Mörder durch das North End gehetzt hatte, bis sie ihn endlich zu fassen bekam. Allein schmeckt der Milchkaffee nicht besser als Bobs Instant-Plörre.
Sie schloss kurz die Augen und lauschte, wie Bill Martin, der Barpianist, zum letzten Stück des Abends ansetzte.
Gedankenverloren ließ sie den Löffel so schwungvoll in die halbleere Kaffeetasse sinken, dass ein Tropfen auf dem hellblauen Hemd landete, das unter ihrem Jackett hervorblitzte.
Verflucht, keine dreißig Minuten Feierabend und schon ruiniere ich meine Klamotten.
Hektisch zog sie eine Serviette zwischen Tasse und Unterteller hervor und begann, über den centgroßen Kaffeefleck auf ihrer rechten Brust zu reiben. Einen Augenblick später legte sie resigniert die Serviette auf den Tisch und beschloss, den nun walnussgroßen Fleck auf ihrem Hemd zu ignorieren.
Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Flachbildschirm, der über einem windschiefen Zeitschriftenständer neben dem Tresen hing und unentwegt die neuesten Sensationsmeldungen irgendeines Klatschsenders präsentierte.
Carolyn blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn, doch der sonst so akkurat gescheitelte Pagenschnitt war nicht mehr zu retten. Gelangweilt nahm sie zur Kenntnis, dass irgendein Kennedy mal wieder unangenehm auf einer High Society-Party aufgefallen sei.
Kurz darauf scannten ihre meerblauen Augen den Zeitschriftenständer. [Aha, das klingt doch fast nach einem Alter Ego der Autorin. Sehen Sie selbst unter „Über mich“ auf der Homepage. Kommt hin, oder?!] Der Boston Globe lag etwas verloren im untersten Fach. Darüber befanden sich eine vergilbte Ausgabe des Boston Business Journal und ein paar Frauenzeitschriften. Im obersten Fach lag mit dem National Enquirer die einzige Zeitschrift, die noch druckfrisch aussah. Carolyn kniff die Augen zusammen und versuchte, die Headline auf dem Cover zu entziffern. Mac ’n Cheese sagen nach Bombendrohung Konzert am Sonntag in New Haven ab.
Mac ’n Cheese – hatte Emily als Teenager nicht zwei Dutzend Poster von denen in ihrem Zimmer hängen? Sie schüttelte sich beim Gedanken an die jugendlichen Schwärmereien ihrer besten Freundin, die sie auch zwei Jahrzehnte später noch nicht nachvollziehen konnte.
Hinter der Bar winkte Bruno. ,Er ist alt geworden‘, dachte Carolyn und nickte dem dicklichen Wirt freundlich zu. Sie rührte den Kaffee erneut um.
In der Ferne heulten Sirenen. Das Brummen von Brunos Kaffeemaschine verhinderte, dass Carolyn sie orten konnte. Bill hatte aufgehört zu spielen. Trotzdem saß er noch immer an seinem Piano und nippte teilnahmslos an einem Gin Tonic. Sie zwinkerte ihm zu. „Spielst du noch eins, Bill?“
„Für meinen Lieblings-Cop mache ich eine Ausnahme!“, grinste Bill und stimmte irgendeine Sonate an.
„Wo ist Emily denn heute?“ Seine Finger wanderten so leicht über die Tasten, dass Carolyn nicht sicher war, ob er sie überhaupt berührte.
„Psychologenkongress.“ Sie rief es lauter als beabsichtigt.
„Ich vergesse immer, dass sie ja gar kein Cop ist!“ Die Melodie erfüllte nun den gesamten Gastraum und übertönte die unheilvollen Geräusche der Nacht.
(c) Connie Klein, https://www.connieklein.de/leseprobe
Connie Klein, Rock must die; erschienen als E-Book im Eigenverlag, 2024; EUR 4,99 – www.connieklein.de
Und wem’s in Connies Crime Room gefällt: Zwei weitere Teile der mindestens mal Thriller-Triology sind bereits in Arbeit und auf der Homepage angekündigt. Die beiden Ladies werden also ihre erste Mordserie vsl. mal überleben, und ich lerne ja vlt. noch, Thriller zu mögen …