Standzeuge ohne Mobilitätsgarantie

Der entscheidende Wortbaustein beim „Fahrzeug“ ist sicherlich nicht das „Zeug“, sondern das „Fahren“. Wenn dieses aber dauerhaft entfällt oder gar nicht erst ins Rollen kommt, verkommt das „Fahr-“ zum reinen „Zeug“, zumindest aber zum „Standzeug“.

Was will ich damit sagen? – Nun, ganz einfach: An einem dieser sinn- und passagierfreien, aber politisch wohl gewollten und hartnäckig am Tropf erhaltenen Regionalflughäfen bin ich dieser Tage auf ein interessantes Phänomen gestoßen:

Schauen Sie genau hin:
Das sind NICHT die abgestellten Fahrzeuge der Fluggäste, sondern …?!

Besagter Regionalflughafen (nach dem Motto “Fly high – start low“) liegt, wie die meisten seiner leider nicht aussterbenden Art, auf dem platten Land, irgendwo “in the middle of almost nowhere“, mit jede Menge Platz und entsprechend wenig flugtauglicher Besiedlung drum herum.
Gleich gegenüber dieses Flughafens war nun ein riesengroßes Areal provisorisch eingezäunt worden … und hinter dieser Einfriedung standen … Neuwagen einer weltweit bekannten deutschen Automarke mit zwei aufeinander folgenden Buchstaben gegen Ende des Alphabets. Nicht dutzende, nicht hunderte, nein: sicherlich über 1.000 Neuwagen in allen Farben, Formen, Größen und Modellen, aber: alle krachneu. Also … inzwischen nicht mehr ganz krachneu, denn immerhin standen – und stehen – sie ja während des Winters 2020/21 da draußen herum … bis heute. Ohne Mobilitätsgarantie, aber dafür einige mit zweitem Reifensatz …

Das allein war (und ist) schon ein seltsamer Endzeit-Anblick, den man, wenn man (so) will, symptomatisch für diese verrückten Corona-Zeiten nennen könnte: Unsere Mobilität ist oder, je nach Sichtweise, wird eingeschränkt. Wir bewegen uns großenteils nur noch im engeren Umkreis unseres Wohnortes. Wir vermeiden Fahrten und Reisen, die nicht unbedingt notwendig wären, allen voran Urlaubs- und Vergnügungsreisen – und: Welche Urlaubsreise ist schon im engeren Sinne „notwendig“?! Aber … ich schweife ab, und Abschweifen ist dieser Tage nicht zielführend.

Das mit den dicken grauen Wolken am Himmel ist Zufall;
da muss man jetzt keine billige Wettersymbolik hinter vermuten …

Damit nämlich nicht genug wurde der riesige Outdoor-Stehzeugparkplatz nun sogar noch erweitert …
… und zwar um die Parkplätze, die eigentlich für die (weitgehend fiktiven) Fluggäste vorgesehen und als solche ausgewiesen sind. Schaut man im Vorbeifahren also nur flüchtig hin, sieht es so aus, als sei der, nun neuerdings ebenfalls provisorisch eingezäunte, Flughafenparkplatz bis auf den letzten Platz besetzt … — Ist er ja auch, nur eben nicht mit den abgestellten Fahrzeugen der Flugpassagiere, sondern … ausschließlich mit weiteren nummernschildlosen, aber dafür farbenfrohen Neuwagen besagter Marke. Und spätestens jetzt glaubt man sich in einer dystopischen Groteske.

Zugleich drängt sich ein Gedanke auf, der einfach nicht wieder verschwindet von der Anzeigetafel:
Nicht nur bei den abgestellten Pkws handelt es sich ja um „Stehzeuge“ bzw. „Standfahrzeuge“ — genau dasselbe gilt ja auch für die, eigentlich, Flugzeuge, die hier nicht fliegen … Dieses Wortbild lässt sich erst wieder aus dem Kopf verdrängen, als ich mir klar mache, dass die Flieger eben doch keine Standzeuge sind — weil es nämlich an diesem abgefahrenen Flughafen gar keine Flugzeuge *gibt*, nicht einmal (irrtümlich) hier abgestellte …
Und doch sind diese ganzen „-zeuge“, die an diesem Ort tatsächlich oder auch nur gedanklich herumstehen, irgendwie „Zeugen“ für etwas ziemlich Skurriles.
Ich fasse es nochmal zum Mitschreiben in trendigem Deep Ocean Blue zusammen, falls Sie es (wofür ich durchaus Verständnis hätte) noch nicht verstanden haben oder glauben können:

Nagelneue Fahrzeuge, die nicht fahren,
stehen in großer Zahl an einem ebenfalls noch nahezu nagelneuen Flughafen,
von dem aus niemand fliegt …

Dass niemand von dort abfliegt oder hier landet, ist keine dramaturgische Übertreibung der Verfasserin, sondern entspricht, zumindest aktuell (04/21; obwohl Mallo doch grade mal wieder freigegeben worden ist …) zu 100% der Wahrheit. Zumal … wie *könnte* auch im Moment hier jemand abgefertigt werden?!, wurde doch die fast noch neu riechende, mit wohligen Holzpaneelen gestaltete Abfertigungshalle in ein provisorisches (schon wieder was Provisorisches …) Corona-Test-Zentrum umgewandelt, sodass die wenigen hier Wartenden keine Abflugwilligen oder wenigstens Abholer*innen sind, sondern Menschen, die sich testen lassen, weil sie sich eigentlich lieber impfen lassen würden …

Baby, won’t you fly away with me …?! Oder wenigstens mal mitm Gepäckwagen um den Block fahren?!

Damit ist eigentlich alles gesagt. TERMINAL ONE ist erreicht. Bitte einsteigen und die Türen schließen — der Wahnsinn fährt … nein! … er fährt ja nicht, er steht herum und wird uns noch eine Weile begleiten.
Was ich mich nur, neben anderen Dingen, frage:
Wer soll all diese, demnächst dann, Outdoor-Jahreswagen bloß kaufen, handelt es sich doch, soweit ich das mit meinem Laienblick beurteilen kann, ausschließlich um herkömmliche Modelle mit dem guten alten Verbrennungsmotor … nichts Elektrisches …

Aber DAS ist jetzt wirklich ein *ganz* anderes Thema; für heute verdauen wir erstmal den abgelegt-abgelegenen Großparkplatz … jetzt wäre mir doch fast ein Wort mit Fr- rausgerutscht, das auf -hof endet! … auf dem Terrain eines Autoweltmeisterlandes a.D.
Willkommen — welcome — bienvenue au cabaret bzw. Gruselkabinett einer abgestandenen Realsatire.