Wieso müssen bei Roadmovies und Tripbooks die Fahrten eigentlich immer mit heruntergekommenen alten und auffällig schrägen Autos angetreten werden?! Häufig sind diese auch – geklaut. Auf jeden Fall gern bekloppt und Hauptsache: ungewöhnlich.
Ich warte also weiterhin vergeblich darauf, dass mal zwei stinklangweilige Normalos (vielleicht ein Sparkassenangestellter und eine Versicherungskauffrau) in einem VW Golf jüngerer Baureihe auf einen minuziös geplanten Roadtrip Richtung Baden-Württemberg oder Castrop-Rauxel-City aufbrechen.

Nein, das ist auch bei der „Reise mit zwei Unbekannten“ nicht der Fall. Denn auch hier ist das Auto alt und vermutlich schäbig. Muss wohl so sein in diesem Genre. Hier: ein „uralter Twingo“ (mal kein Lada oder uralter Chevrolet).
Ich frage mich unwillkürlich, ob es überhaupt fahrbereite „uralte Twingos“ geben kann, denn … die halten doch gar nicht so lange, oder?! Egal, der Twingo ist uralt, also noch die 1. Baureihe, die so mädchenhaft niedlich war, aber das Buch ist, während ich dies schreibe, eine Art „Jahreswagen“, erschienen Anfang 2022.

Die beiden Unbekannten bzw. Fremden sind – Ähnlichkeiten rein zufällig – die 90-jährige (energische) Maxime, die aus einem Seniorenheim ausgerissen ist (der „Hundertjährige“ lässt grüßen), und der (schüchterne) Student Alex, der Liebeskummer hat und depressiv (verstimmt) ist. Das Buch ist von Zoe Brisby, die in Paris lebt. Die Handlung klingt ein bisschen nach „Harold and Maud“, ist aber nicht so, obwohl uns das in diesen Zeiten der gnadenlosen Diversity um jeden Preis auch nicht gewundert hätte.
Die beiden werden durch eine Mitfahrzentrale aufgrund des gemeinsamen Ziels Brüssel eher zufällig zusammengewürfelt, und ihre Reise zu zweit, die an sehr unterschiedlichen Punkten in beider Leben ihren Ausgang nimmt, dauert ganze zwei Tage, nicht mehr und nicht weniger. In dieser kurzen (Lebens-)Zeit entdecken und erleben die zwei eine Menge Wahrscheinliches und Unwahrscheinliches, was aber die Lust auf diesen Roadtrip, der auch schon als Hörbuch (bei Audible, gelesen von Julian Tennstedt) vorliegt, nicht schmälern oder ausbremsen soll.

Wer, wie ich, die (widersprüchlich-durchwachsenen) Rezensionen liest, erfährt schon ein bisschen was über den Ausgang der Reise, aber ich für meinen Teil möchte hier nicht/s spoilern, sondern würde lieber die Story als Hörbuch downloaden und bei meiner nächsten Fahrt, komprimiert auf zwei Stunden (sonst wäre etwas schief gelaufen), anhören, während ich selbst Kilometer für Kilometer, ganz ohne Unbekannte/s oder Störendes, zurücklege.

Ach so, der französische Originaltitel des Buchs lautet: „L’habit ne fait pas le moineau“. Finde ich eigentlich spontan schöner als die etwas nichtssagend-reißerische Übertragung ins Deutsche, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich’s korrekt ins Deutsche übersetze und dann wiederum die Bedeutung richtig verstehe: „Die Gewohnheit macht nicht/noch keinen Spatz/Sperling“. Okay, ich nehm’s zurück. Das hätte ich wohl auch nicht einfach wörtlich ins Deutsche übersetzt und den Leser ratlos damit so stehen lassen. Dann doch lieber die Reise mit den Unbekannten, ganz ohne mathematische Assoziationen à la x + x = 2y.
Wie’s ausgeht, wohin es führt und wer die Tour überlebt?! Weiß ich auch noch nicht. Finden wir’s gemeinsam heraus! Auch, wer von den Rezensent*innen am Ende unsere Meinung teilt.

Zoe Brisby: Reise mit zwei Unbekannten. Roman. Eichborn 2021. 416 Seiten, ISBN: 978-3847901112 bzw. 3847901117. 18,00 EUR (geb.) bzw. 12,00 EUR (Taschenbuch).