So, jetzt habe ich ihn in der Mediathek gesehen, den Film „Home“, Franka Potentes Regiedebüt. (Auch das Drehbuch stammt von ihr.) Ich mache es gar nicht groß spannend: Ich bin enttäuscht. Davon — sowohl vom Thema als auch von der Regiepremiere — hatte ich mir mehr versprochen (siehe hierzu auch meine Ankündigung von gestern, 12.11., auf diesem Blog).

Es gibt wenige Klischees und Stereotype, die hier *nicht* bedient werden. Der nach Verbüßung seiner Haftstrafe entlassene (Ex-)Sträfling ist, trotz diverser Knasttattoos an den unmöglichsten Stellen, ein derart sanftes Lämmchen (geworden), dass man ihm selbst einen nun juristisch gesühnten, lange zurückliegenden Totschlag aus Versehen (faktisch soll es aber Mord gewesen sein) nicht wirklich zutraut.

Seine grantige und kantige Mutter, routiniert, aber irgendwie „uninspiriert“ gespielt von Kathy Bates, ist vor allem mal eins: Kathy Bates, wie wir sie kennen. Rau, schroff, abgeklärt, … und dem Tod mal wieder näher als dem Leben. Folgerichtig stirbt sie auch am Ende des Films, beigesetzt von sage und schreibe gerade mal vier Menschen: ihrem Sohn Marvin (lost and just found) — dessen wahrscheinlich demnächst Freundin, der Enkelin der vor 17 Jahren getöteten Frau — dem unendlich sanftmütigen und Verständnis-für-alle/s-habenden Pfleger und „Mann für alles“ (zufällig ein Schwarzer) und, last but not least, dem unkonventionellen und in der Einwerbung seiner Schäfchen penetranten Pfarrer des kleinen Ortes, ein weiterer „Gutmensch“. Das war’s. Es sei denn, man zählt die beiden riesigen Doggen mit, die Bernadette hielt.

Ansonsten wird jede Menge geflucht — ich habe selten in einem Film so häufig das F-Wort konjugiert und dekliniert gehört. Wahrscheinlich müsste in einer amerikanischen Version des Films, die es aber meines Wissens nicht gibt, permanent ein schamhafter Beep erklingen. Geflucht und verdammt wird sogar in der Kirche, während der Messe, und dies schließlich auch vom Pfarrer, der damit wohl an Tiefe, Bodenständigkeit und Ambivalenz gewinnen soll.

Die lokalen Gegenspieler des reumütigen Sünders Marvin sind hingegen (durchgängig) ebenso dumm wie ungehobelt. Da fällt es auch nicht groß ins Gewicht, dass, allen voran, der Enkel der getöteten Frau und Bruder der jungen alleinerziehenden Mutter „nett zu seinem kleinen Neffen“ ist, wenn er andererseits prügelt und ungepflegt rumhängt. (Ein angeschmutztes Schiesser-Feinripp-Unterhemd kann eben nur einer mit Würde tragen, und das ist Marlon Brando als Stanley Kowalksi in „A Streetcar named Desire“).
Den Stein, der irgendwann ins Küchenfenster des Hauses von Marvins Mutter fliegt, während der Geläuterte gerade dabei ist, den Abwasch zu erledigen, meint man schon in verschiedenen Filmen ähnlicher Thematik gesehen zu haben; das Klirren der Fensterscheibe ist also nicht unerwartet. Ja, so drückt man es aus, dass ein, meist sündiger, Heimkehrer nicht willkommen ist!
Und wartende und bangende Angehörige in tristen Krankenhausfluren … das hat man anderswo auch schon atmosphärisch dichter gesehen. „1.000-mal berührt“ … Aber eben nicht: „gerührt“, zumindest nicht wirklich neu angerührt und gewürzt.

Fehlt eigentlich nur noch, dass jemand „Murderer“ auf die Vorderfront des Hauses sprüht, aber ich meine, selbst davon hätte Marvins Mutter ihrem Sohn berichtet. Insofern bleibt uns die Szene, wo die an den Pranger Gestellten mit einem Eimer Farbe das unliebsame Graffiti übertünchen, erspart.
Immerhin: Ein Klischee, das ausgelassen wird, ist die Tötung eines geliebten Haustiers, vorzugsweise Hundes. Wundert mich, dass das nicht vorkommt. Schließlich hätten sich die beiden riesigen Doggen, die Marvins Mutter sich zum Schutz gegen Rache und Vergeltung hält, dafür perfekt angeboten. Ach so, ich vergaß zu erwähnen: Diese Doggen lieben Marvin natürlich vom ersten Moment an. Einfach so, weil sie, anders als manche Kleinstadtnachbarn, instinktiv erkennen, dass Marvin (jetzt) „ein Guter“ ist.

Der ehemalige Kumpel Marvins ist drogensüchtig — und lebt … in einem heruntergekommenen Caravan. Sorry, aber … seit dem „Nichtraucher“ in Erich Kästners „Fliegendem Klassenzimmer“ schaue ich immer sehr genau hin, wenn ein Drop-out in einem Waggon wohnt … „Das ist alles nur geklaut“, könnte man jetzt über den Film „HOME“ denken. So weit würde ich zwar nicht gehen, aber ein bisschen mehr Originalität hätte ich dem Film schon gegönnt. Und mir als Zuschauer auch.

„Unkonventionell“ und entwurzelt ist, wenn man in einem Mobile Home (!) lebt oder hausen muss — stimmt’s?!

Mein „heimischer Mitgucker“ hat sich jedenfalls schon nach wenigen Minuten „von der Leinwand“ verabschiedet. Zu flach, zu vorhersehbar, zu klischeehaft, zu wenig Grund, Quality Time in diesen Film zu investieren. Wäre ich dafür ins Kino gegangen, hätte ich mich enorm geärgert. Vom häuslichen Fernsehsessel aus, mit der Fernbedienung in der Hand, geht’s.

So bleibt am Ende vor allem mal die kalifornische Kleinstadtatmosphäre, die so gar nichts mit Sonne, Strand und shiny happy people zu tun hat, als tragende Säule des Films stehen.

Liebe @ Franka Potente, vielleicht lassen Sie Ihrem Regie- und Drehbuchdebüt noch einen originellen zweiten Versuch folgen, nach dem Motto: „Please try again later!“ Als Filmemacherin haben Sie Ihr „Zuhause“ und Ihr Metier noch nicht gefunden, aber letztlich kommt es ja auch die ewige Suche nach Heimat an … und nicht (nur) aufs Ankommen. Sollte es einen zweiten Versuch geben, gibt es meinerseits eine zweite Chance :-). „Erneut abspielen?“, werde ich am Ende höflich von der Mediathek gefragt. Och, nö, thanks!

Home. Buch und Regie: Franka Potente, mit Kathy Bates (Bernadette), Jake McLaughlin (Marvin), Aisling Franciosi (Enkelin der Getöteten). Drama (92 min.), D 2020.