Vielleicht haben Sie auch schon die Er-FAHR-ung gemacht, dass „Die Bahn“ sehr kreativ sein kann, wenn es um Störungsmeldungen geht. Das heißt natürlich: unter der Voraussetzung, dass überhaupt eine Störungsmeldung erfolgt, wenn man mal wieder irgendwo zwischen dem Hier und dem Jetzt stecken geblieben ist. Der Zug bleibt, offensichtlich außerhalb eines Bahnhofs, stehen – und das ungeduldige Warten beginnt.
Das Erklärungsrepertoire der Bahn reicht von „eingefrorenen Weichen“ und „Stellwerkstörung“ über „Oberleitungsschaden“ bis hin zur allgemeinen „Technischen Störung“ … manchmal sogar „… im Betriebsablauf“. Das ist ein bisschen doppelt-gemoppt, vielleicht auch unglaubwürdig – mich erinnert es jedenfalls an die Entschuldigung „Aus terminlichen Gründen konnte ich leider nicht [rechtzeitig] kommen.“
Aber darum soll es hier eigentlich gar nicht gehen. „Bahn-Bashing“ überlasse ich gern anderen mit weniger Fantasie – die können nach Art eines Chronisten einfach nur mitnotieren, was passiert. Nicht so sehr mein Metier.
Mich interessiert es, wenn die Bahn und das dazugehörige „Reisevokabular“ … nennen wir es mal so: … „poetisch“ wird. „Sie haben Anschluss an einen ICE nach […]“, das ist so ein Satz, der meine Fantasie anregt. „Anschluss haben“. Das klingt nach Verbundenheit und Zugehörigkeit. Ich bin also „anschlussfähig“. Das muss zwangsläufig bedeuten, dass ich bereits irgendwo dazugehöre – sonst wäre es ja kein „Anschluss“. Und das Gegenteil davon wäre zweifellos ein „Ausschluss“. Das hört sich nach einem Disziplinarverfahren oder nach einem ausgewachsenen Mobbing an. „Reisende mit Fahrtziel XY sind heute leider vom Anschluss ausgeschlossen.“ Nein, Quatsch!, das sagen sie nie, das ist jetzt von mir.
Wenn man über „Aus- und Anschlüsse“ nachdenkt, ist der Weg zum „verpassten Anschluss“ natürlich nicht weit. Selbst dieser Satz ist jetzt schon wieder fast ein bisschen mehrdeutig: „Der weite Weg zum [verpassten] Anschluss“ … oha! Da geht was.
Einen Anschluss zu VERPASSEN … das klingt nochmal ungleich brutaler, krasser und erfolgloser als einfach nur „keinen zu haben“. Denn das Verpassen impliziert, dass es, zumindest theoretisch, einen Anschluss gegeben hat oder hätte geben können, wenn … ja, wenn … der erste Zug nur ein bisschen schneller gefahren wäre. Wenn ich heute Morgen nicht zu spät dran gewesen wäre, sodass ich den ursprünglich geplanten Zug nicht erreicht habe und einen später nehmen musste. Wenn … ja, wenn … dieser unglückliche Mensch sich nicht vor den Zug geschmissen und einen folgenreichen „Personenschaden“ verursacht hätte.
Den Anschluss „versäumt“ zu haben, klingt da schon etwas sanfter, meint aber im Ergebnis dasselbe. Aber „versäumen“ reimt sich nicht umsonst auf „träumen“ – es hört sich an, als habe man den angestrebten Anschluss „verschlafen“, etwa, weil man auf der Reise eingeschlafen ist und erst eine Station zu spät gemerkt hat, dass man längst hätte aussteigen müssen. Zu spät! Aber immerhin war der Traum vielleicht schön gewesen.
Es wird allmählich Zeit, vom Anschluss zum Schluss/Ende zu kommen. Ich merke es selbst, dass meine Gedanken hier im Kreis fahren. Im Grunde genommen wollte ich über die vielen verpassten Anschlüsse und versäumten Gelegenheiten (oder halt: „versäumten“ Anschlüsse und „verpassten“ Gelegenheiten) nachdenken, die ich auf meiner bisherigen Lebensreise v/erfahren habe. Aber es gibt leider keinen Anschluss unter dieser Nummer. – Geht bei Ihnen am anderen Ende jemand dran? Dann schließen Sie ihn fest und ein. Oder wie lautet Ihre Pointe zu diesem verpatzten Anschlussverfahren?