… in eine nahe Zukunft am Meer! Was hat das zu bedeuten?!
Meine assoziative Rezension zu „Und dahinter das Meer“ (Roman von Laura Spence-Ash, erschienen beim mareverlag 2024) entwickelt sich allmählich zu einer Art “running gag“ und ist hiermit von einer mittlerweile Trilogie zu einer Quadrologie geworden und auf dem Weg zu einer “never-ending story“.
Dieses Spielchen mit mir selbst kann und wohl auch *werde* ich noch eine Weile so (be)treiben, denn inzwischen liegen die deutschsprachige Übersetzung (ausm mareverlag) und das englischsprachige Original (Celadon Books, New York © 2023) in meiner Wahlpflichtheimat in friedlicher Koexistenz nebeneinander und sogar in Reichweite, aber komplett durchgelesen habe ich bisher weder das Original noch die „Nachdichtung“. How come?
Ich bin studierte Literaturwissenschaftlerin, und wenn ich eins gelernt habe und bis heute noch beherrsche, dann ist das die angewandte Kunst, ganze Bücher kursorisch und trotzdem sinnerfassend zu lesen. — Das habe ich jahrelang so praktiziert und damit seinerzeit erstaunlich gute Noten eingefahren, und das an der Uni einer Stadt, die sich ihrer Dichter und Denkerinnen rühmt (und vielleicht auch den einen oder anderen Grund dafür hat).
Aber … „Und dahinter das Meer“ bzw. „Beyond that, the Sea“ *möchte* ich ja schon eine ganze Weile vollständig lesen – und zwar am liebsten „zweigleisig“, so wie es zu mir als Pendlerin/Passagierin passt, also im fliegenden (komparatistischen) Wechsel zwischen dem englischen Original und der Übersetzung/Übertragung ins Deutsche, zumal die Übersetzerin, wie bereits an anderer Stelle der zu dem Zeitpunkt noch „Trilogie“ erwähnt, an derselben Uni wie ich studiert hat, und zwar (anders als ich) Literaturübersetzen.
Wenn das alles doch so ist – warum habe ich es dann bisher nicht geschafft mit dem Ganz-Lesen?!
Ein Grund ist natürlich, wie so oft, die fehlende Zeit und vielleicht mehr noch: die Muße, die mir dazu fehlt. Und einer der Gründe für die fehlende Muße ist wiederum, wie passend, die Frankfurter Buchmesse, die #fbm24, die, während ich dies schreibe, noch andauert und mir in den letzten Tagen wertvolle (Lese-)Zeit geschenkt, aber damit zugleich für andere Dinge und Bücher genommen hat.
Natürlich habe ich auf der Frankfurter Buchmesse auch bei mare vorbeigeschaut, dem meines Wissens unabhängigen Verlag, dem ich dieses wunderbare Luxus-Dilemma verdanke, und der, wie könnte es anders sein?!, seinen Sitz normalerweise nicht mitten in Hessen, sondern in Hamburg, also am Meer oder zumindest nah dran, hat.
Bei meinem Termin am Stand wurde mir bestätigt, was ich schon ahnte: Tatsächlich achtet man in diesem Verlag genau darauf, dass die Bücher, die hier veröffentlicht werden, einen mehr oder weniger engen Bezug zum Meer haben. Und den haben offensichtlich gar nicht so wenige …
Das Leben am großen Strom, mit dem ich in dieser Hinsicht aufwarten könnte, reicht da nicht aus, obwohl der große Strom, der mich in meiner Kindheit und Jugend mehr geprägt hat, als ich es damals ahnte, wie es sich für einen Strom gehört, in ein Meer mündet.
Nein, „Geschichten vom großen Fluss“, die reichen bei mare nicht – es muss schon das Meer (egal, welches) sein! Wobei die Sehnsucht nach dem Meer genügt … und die habe ich zweifellos tief in mir, wenn auch indirekt entflammt durch das Leben am großen Fluss. Vielleicht entwickelt sich also doch noch ein fließender und vor allem auch direkter Wasserweg zwischen mare und mir, ohne den „Um- und Landweg“ über meine Rezensionen. ((Das war jetzt übrigens eine Art (unverlangt eingesandte) Publikationsanfrage, liebe @ Hamburger Meeresbewohner:innen!))
Auf der Frankfurter Buchmesse erfahre ich von der für Menschen wie mich zuständigen (ebenfalls, wie sich herausstellte, Meer-affinen) Verlagsangestellten, dass „Und dahinter das Meer“ frisch für den „Preis der unabhängigen Buchhandlungen 2024“ ((kannte ich ehrlich gesagt vorher gar nicht, diesen Preis)) nominiert wurde … Wow!, offenbar bin ich also nicht die Einzige, die auf dieses Buch aufmerksam geworden ist! Das mit dem (zumindest mal für mich Neu-)Preis hat dann zwar, wie sich noch am selben Tag herausstellte, nicht geklappt, aber: Allein die Nominierung ist ja schon ein (Mehr-)Wert an sich und wird hoffentlich die Bekanntheit des Roman-Erstlings der gar nicht mehr so jungen Autorin steigern.
Nun könnte man ja fast meinen, ich hätte mich zwischenzeitlich im und beim Erzählen verloren und dabei den Bezug zur Überschrift vor lauter Meandern und Sich-im-Meerwasser-treiben-Lassen vergessen. Nein, habe ich nicht! Denn diese „frische“ Liebe, von der da, zugegebenermaßen etwas aufmerksamkeitsheischend in der Überschrift die Rede ist, habe ich überraschend am mare-Stand gefunden. Und zwar, wie es sich für das Setting „Buchmesse“ gehört … in einem Buch!
Die mare-Presse-„Nixe“und ich unterhalten uns über dies und das, und vor allem natürlich auch darüber, was ich denn als Nächstes rezensieren könnte aus dem Haus des Meeres, für das ich – merkt man gar nicht, oder?! – viel Sympathie hege.
… und in der noch nicht veröffentlichten Buchvorschau fürs nächste Jahr zeigt und empfiehlt sie mir ein Buch, das in die Thematik meines Blogs („Zugehörigkeit – beim Unterwegs-Sein – suchen, verlieren und, stattdessen, Einsamkeit [wieder]finden“) geradezu perfekt passt, zumal es auch noch einen Seitenblick auf das Thema „Sprache“ verspricht. ((Der Blog befasst sich auch mit „Sprachreisen“ im übertragenen Sinne.)) Nun gehört es zu meinem „Berufsethos“ als Bloggerin/Rezensentin, dass ich jetzt hier nicht herausposaune, um welches Buch es sich handelt … aber: Ein bisschen Spoilern kann ja nichts schaden und dürfte doch sicherlich erlaubt sein.
Also … da geht es um eine Person … na gut, eine weibliche Person …, die aus einem (fernen) Land stammt, das in meiner (verlorenen) Heimatstadt eine gewisse Bedeutung hat und tragende Nebenrolle spielt. — In diesem Land wird eine Sprache gesprochen und Schrift geschrieben, die für Mitteleuropäer wie mich nicht ganz leicht zugänglich (also: fremd) ist, wobei diese Sprache die Besonderheit hat, dass man sie als deutschsprachiger Mensch recht gut aussprechen kann, zumal sie weitgehend lautgetreu ist (in Bezug auf die lateinische Transkription, aber das nur nebenbei, weil ich ja noch ein bisschen drumherum reden muss).
Die Hauptperson des Romans hat nicht ganz freiwillig ihre Heimat verlassen und ist nun auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität und einer neuen Zugehörigkeit, zumal sie auch im persönlichen Umfeld einen herben Verlust erlitten hat. Sie vermisst. Und zwar schmerzlich. Sie vermisst das Land, aus dem sie kommt, aber auch den Menschen, den sie verloren hat.
Das allein mag in der heutigen Zeit noch nicht ungewöhnlich sein, allerdings gibt es in ihrer Sprache offenbar gar kein Wort für das Phänomen des „Vermissens“ … Insofern muss man es zwangsläufig, wenn man es aber trotzdem fühlt und dies zum Ausdruck bringen möchte, umschreiben und Synonyme suchen, was der englische Originaltitel des Romans übrigens auch genau so tut.
„Und dahinter das Meer“ bleibt als „Dauerbrenner“ ganz oben auf meiner, wie man heute so schön (?) sagt, „Bucket List“ der als Nächstes zu lesenden Bücher, aber … da drängt sich ein heftig aufgeflammtes Interesse und eine tiefe Neugier in den Vordergrund, wenn ich an … nein!, ich verrate es nicht! … denke, noch bevor ich, wie die „Nixe“ fest verspricht, noch vor der offiziellen Veröffentlichung die „Fahnen“ zu lesen bekomme.
Ich halte, bis es soweit ist, erstmal nur ein paar farbig kopierte A4-Seiten des mareverlags sozusagen „exklusiv“ in den Händen und behalte dadurch die Vorfreude auf diesen neuen Favoriten, der mir gleichermaßen fremd und vertraut erscheint, in mir, bis es in meinem Postfach „Ping!“ aus Hamburg macht … und bis dahin „vermisse“ ich das Buch schon, noch bevor ich es überhaupt kennengelernt habe … Und freue mich, dass die englische und die deutsche Sprache für das Vermissen schöne Wörter gefunden haben.
N.N., [„To Miss and Missing“ — und zwar in einer Sprache, die gar kein Wort dafür hat“], Hamburg: mareverlag 2025. Aus dem amerikanischen Englisch ((aber davon solltet Ihr Euch jetzt nicht auf eine falsche Spur locken lassen)) von … sag‘ ich auch noch nicht. 256 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, EUR ##,–, ISBN 978-3-[…] … und im Februar 2025 ist es soweit!
Und für all diejenigen, die jetzt bis ganz zum Schluss, bis zum Abspann, durchgehalten haben, gibt es hier noch den ultimativen Spoiler zur nach wie vor nicht kommunizierten Herkunftssprache der einsam vermissenden Protagonistin ohne “missing link“: