Ich schätze sie sehr, die „Freundlichkeit von Fremden“, die auch auf diesem Blog schon einmal Thema war. Sie zu erleben, kann aber eine Gratwanderung sein … „und das geht so“:

Ein ganz normaler Wochentag. Nein, nicht ganz normal, denn ich habe heute frei und fahre mit der S-Bahn in die Stadt. Dort habe ich einiges zu erledigen und bin entsprechend bepackt. Um diese Zeit fährt die S-Bahn nur jede halbe Stunde — und das ist nicht oft.

Und weil ich heute nicht arbeiten muss, habe ich mir Zeit gelassen beim Fertigmachen. Noch ’n Käffchen?! Ja, klar, warum nicht?! Hab‘ ja noch Zeit. Witziges Interview im Frühstücksfernsehen — das höre ich mir grad‘ noch zu Ende an, und dann kann ich ja allmählich mal los. — Nee …!, plötzlich wird es doch knapp. Ich muss echt los, wenn ich die S-Bahn noch erreichen will. Mist, wo ist denn der Haustürschlüssel? Weitere wertvolle Minuten vergehen. Boah!, ist das kalt draußen. Ich glaub‘, ich zieh‘ doch lieber die dicke Jacke an … Jetzt aber!

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich jetzt noch genau 12 min. Zeit habe, um zu meinem Vorort-S-Bahnhof zu kommen. Zu Fuß. Denn der Bus fährt um diese Zeit nicht mehr, wenn die Schulkinder schon durch sind. Na dann.

Ich gehe schnellen Schrittes los. Zum Glück geht es morgens bergab. Die schwere Tasche schlägt mir gegen die Hüfte. Unangenehm. Und echt schwer. Noch 8 min. Ist theoretisch noch zu schaffen.

Ein ziemlich verschmutzer, eigentlich blauer Lieferwagen fährt langsam an mir vorbei. Jemand, der sich an die Tempo-30-Zone hält, denke ich.

Die vollgepackte Tasche schlägt wieder heftig gegen meine Hüfte. Der blaue Lieferwagen bleibt am Straßenrand stehen. Der Fahrer öffnet die Tür, und ich sehe, dass er allein unterwegs ist.

„Hallo!“, ruft er. Er scheint mich zu meinen. Obwohl ich es eilig habe, bleibe ich stehen.

„Müssen Sie zum Bahnhof?“, fragt er. Das geht dich doch nichts an!, denke ich mit der geballten Macht meines angelernten Misstrauens gegen Fremde. Und erst recht gegen fremde Männer.

„Steigen Sie ein! Ich nehm‘ Sie mit“, sagt der vermeintlich harmlose Mann. Er trägt Arbeitsklamotten und zeigt seine Zähne. Das heißt: Er lächelt freundlich. Habe ich eigentlich „Ja!“ gesagt?!

Mittlerweile habe ich noch 7 min. Zeit — und eine weitere durch ihn verloren.

Diese Geschichte dürfen Sie nun selbst zu Ende schreiben.
Welche Gattung Sie wählen, ist dabei Ihrer Fantasie, Ihren Vorerfahrungen und Ihrer kulturellen Prägung überlassen:
Kriminalgeschichte? Softporno? Liebesgeschichte? Sozialdrama? …? Das entscheiden Sie ganz allein! — Und wenn Ihnen nichts dazu einfällt, erzähle ich Ihnen in der Fortsetzung die Wahrheit über diesen Moment.

 

 

 

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