Ja, ich weiß, meine Überschrift ist ebenso billig wie naheliegend. Aber was erwarten Sie von mir angesichts eines Krimis, der “Schwund” heißt und dessen Cover rabenschwarz ist … mit rotem, blutunterlaufenem Titel?! Da ist die Nähe zu “Schund” aufm Silbertablett angerichtet – und vermutlich ist das von Autorin und/oder Verlag auch genau so gewollt.
Wie viele Sprüche zum eher selten gebrauchten Wort “Schwund” kennen Sie denn?! Ja, genau diesen einen … von wegen “bisschen/etwas Schwund is’ immer”.
So weit, so erstmal gar nicht schlimm. Schließlich handelt es sich ja um einen “Thriller”. Insofern ist davon auszugehen, dass getötet, gemordet, gemeuchelt und gehenkt und die Menschheit um störende Subjekte dezimiert wird. Und das ist auch gut und richtig so. Also, ich meine … bei einem Krimi.
Nun ist es aber zwar ein Thriller, “aber in heiter”, wie der Untertitel oder die mitgelieferte Gattungsbezeichnung einordnet und verrät. Okay. Humorige Krimis sind ja mittlerweile auch im Fernsehen an der Tagesordnung, man denke nur an den Münster-Tatort mit dem Pathologie-Professor Börne (vermutlich mit „oe“) als skurrile Hauptperson, egal, wer da so um ihn herum mordet oder gemordet wird. Das Münsterländisch-gewollt-Witzige ist nicht so sehr mein Genre. Macht aber nichts, denn ich bin weder wegen des Krimis, noch wegen Börne [mit oe?!] oder wegen eines Moerders oder mehrerer Moerder*innen hier, auch nicht wegen des Humors, und sei er noch so schwarz.
Ich habe meine Gründe. Andere Gründe. Einer davon liegt — abgesehen davon, dass der Insel Verlag, in dem das Buch erschienen ist, eigentlich nicht für „Sch(w)und“ bekannt ist — in der Person der Autorin. Das ist nämlich Tatjana Kruse, die Lady in Black der Krimi-Zunft, und dass sie schreiben kann, davon konnte ich mich schon anhand ihrer Übersetzung von „Und immer wieder aufbrechen“ überzeugen (siehe meine Rezension hier auf diesem Blog). Mit ihr habe ich, weil sie in der „Aufbrechen“-Rezension (lobend) erwähnt wird, Kontakt aufgenommen um sie darauf hinzuweisen. Es entstand ein kurzer Mailwechsel, und ich habe sie einfach mal gefragt, ob sie mir nicht darüber hinaus ein selbst geschriebenes Buch empfehlen könne, das Bezug zum Thema und Motiv meines Blogs hat. Und DAS war eben: „Schwund“. Die Leichen (m/w/d) und die Täter (dito) sind also nicht mein Ding, mir geht es vielmehr um die kurvenreiche Spurensuche durch ganz Deutschland, bis es laut Klappentext „in einer abgelegenen Berghütte zum filmreifen Showdown kommt“.
Bis es soweit ist, muss aber noch einiges passieren, denn das Buch beginnt weit weg von irgendwelchen (süddeutschen) Berghütten sehr städtisch in einem verlassenen Fabrikgelände, einem Lost Place in Berlin.
Jedem Kapitel ist ein kurzes Motto vorangestellt, und ich suche jetzt einfach mal — der Reihe nach, aber mit „Gedächtnislücken“ — alibimäßig ein paar heraus, die Bezug zum Blog-Thema des Unterwegs-Seins und des Suchens und Findens von Heimat und Glück haben. Als da wären, mehr oder weniger zutreffend:
Läuft! Zwei rückwärts und bergab, aber es läuft! (immer noch in Berlin, fernab der Berghütte)
Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen in der Krone haben. (nicht mehr in Berlin, sondern jetzt in Hamburg)
Laissez les bon[s] temps rouler! (zurück in Berlin; Schwund gab’s auch bei den Buchstaben; ein „s“ ist unterwegs verloren gegangen)
Lieber mit den richtigen Menschen durch den Regen laufen als mit den falschen Menschen in der Sonne liegen. (Stimmt, aber: schon wieder Berlin — hey!, wo bleibt der Szenenwechsel?!)
Jetzt höre ich aber auch mal wieder auf mit den Motti, die hier wie (falsche) Spuren ausgelegt werden. Schließlich ist es bei Krimis noch unpassender, wenn man, zumal als Kronzeugin, bei seiner Zeugenaussage zu viel verrät, erst recht, wer der Mörder (oder die Mörderin) ist.
Also plaudere ich nur eines aus: Die Berghütte befindet sich bei Mittenwald, aber mit dieser Information können Sie, so leid es mir für Sie tut, zum jetzigen Zeitpunkt genau nichts anfangen. Sie ist zwar sachdienlich, tut aber in Bezug auf das, worum es mir hier geht, genau nichts zur Sache. Wir brauchen also einen neuen Ermittlungsansatz.
Apropos „tut nichts zur Sache“: Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich gern mal einen Roman mit dem Titel „Anfangsverdacht“ schreiben würde?! Aber davon vielleicht später mehr, wenn dieser Drops gelutscht ist; im Moment müssen Sie sich mit diesem vagen Hinweis zufrieden geben; Beweise für die Ausführung der Tatabsicht gibt es noch keine.
Aber zurück zu unserem Fall: Beim Durchblättern und Motti-Auswählen kann ich schon sehen, dass es — außer diversen Andeutungen und viel in Berlin — noch jede Menge witziger Hinweise in den vorangestellten Sprüchen gibt, die zur Ergreifung des oder der Täter führen könnten. Das verspricht, ein mörderischer Spaß zu werden, über meine „Spurensuchen und -wechsel“ durchs ganze Land hinaus …
Bevor ich Sie nun damit mutterseelenallein und dümmer, als die Polizei erlaubt (unterwegs) zurücklasse, gebe ich Ihnen aber noch ein letztes ebenso feines wie kurzes Motto mit auf Ihren kriminell-krummen Weg:
Inzwischen sind wir gemeinsam mit den Protagonisten an der oder in Pegnitz angekommen. Das ist doch immerhin schon mal in Bayern, oder?! Wir befinden uns (auf Seite 265, noch etwa 75 Seiten „to go“) nicht mehr bei irgendeinem Tätowierer oder auf einem alten Fabrikgelände, sondern, ganz krimigemäß, auf der Polizeiinspektion. Die Rosenheim-Cops lassen grüßen, aber … macht ja nichts. Die mag ich auch.
Ach so, Stichwort „Tötungsabsicht“: Das Motto dieses Kapitels hatte ich doch zum Abschluss und zum Lustmachen auf noch mehr Schwund versprochen — und das geht so: Träume immer eine Nummer zu groß!
Dem habe ich nichts entgegen- oder hinzuzusetzen.
Tatjana Kruse: Schwund. Ein Thriller, aber in heiter. Berlin, Insel Verlag 2021 (Originalausgabe). ISBN: 978-3-458-68156-4, EUR 11,00.