Ist das ein Buch übers Bahnreisen?! Eine Art Reiseführer für Bahnreisende durch Europa?!
Könnte man bei dem Titel – „Zug um Zug durch Europa. Von Nachtzügen, Speisewagen und den schönsten Bahnhöfen“ – fast denken. Aber dieses Buch kann und hat mehr zu bieten …
Zunächst einmal muss ich zugeben, dass ich der viel gescholtenen Deutschen Bahn, die eine Art Symbol-Vehikel des vorprogrammierten Niedergangs auf Schienen geworden ist, in nichts nachstehe. Bereits seit Wochen und Monaten liegt dieses Buch (© 2023) unverdientermaßen auf einer Art „Abstellgleis“, tief vergraben in einem Pappkarton mit der Aufschrift „To be reviewed“ … und ich habe es schlicht darin vergessen.
Gestern fiel es mir wieder in die Hände, und zwar, weil ich ein anderes, neueres (?) Buch desselben Autors, Jaroslav Rudiš, noch schnell vor Weihnachten rezensieren wollte: „Weihnachten in Prag“. Gestern war der 20. Dezember, ich hatte also nicht mehr viel Zeit, diesen Zug zu verpassen.
Hat geklappt! Die vorweihnachtliche Rezi ist eingestellt; Weihnachten in Prag kann also kommen.
Aber … Moment mal! Da war doch noch was! Genau genommen sogar zweierlei. Ich hatte doch bereits ein Buch von Bahnliebhaber und Multitalent Rudiš rezensiert … Wie hieß denn das gleich noch?! Irgendwas mit Zügen, schon klar … „Züge, die die Welt bedeuten“?! Jaaaa, kommt mir bekannt vor.
Ich recherchiere auf meinem eigenen Blog und finde m/eine Rezi zu „Gleise (!), die die Welt bedeuten“: https://pendeln.mobi/2024/08/30/ratternde-bretter-und-raeder/
Okay, „Gleise“ also. Aber irgendwas mit „Zügen“ – … Stimmt! Ich schütte also meine „To be reviewed“-Kiste aus und finde das „andere“ Bahnbuch … Es ist opulenter als „Weihnachten in Prag“ und „Gleise, die die Welt bedeuten“ zusammen. Ein größeres Format, ein ordentlicher Hardcover-Band, ein gelbes Schmuckbändchen und … 160 farbige Fotos, eine Schwarz-Weiß-Abbildung sowie zwei Karten. Und es heißt: „Zug um Zug durch Europa“.
Die beiden Karten mit Bahnstrecken, die der Autor selbst befahren hat, sind schnell gefunden, jeweils vorn und hinten im Einband. Um unter den 161 Fotos, die sich durch das gesamte Buch ziehen, das EINE schwarz-weiße zu finden, das natürlich ganz besonders meine Neugier weckt, muss ich eine Weile suchen.
Nein, es ist nicht das mittlere Bild auf Seite 169. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man darauf ganz oben ein Stück blauen Himmel. Der Rest des Bildes *ist* einfach so grau.
Es ist auch nicht das untere der beiden Fotos auf Seite 179 – das ist einfach sepiafarben … mit wieder einem winzigen Hauch von Blau am Himmel …
Es ist auch nicht das Foto von Ostende, obwohl hier der blaue Streifen am Himmel komplett fehlt.
Ha! Ich glaub‘, ich hab’s gefunden! Es ist das Foto vom kleinen Jaroslav, der gemeinsam mit Herrn Reim, dem Heizer, aus dem Fenster einer Dampflok mit der Nummer 434208 schaut. – Komisch! Auf dem Bild dürfte Jaroslav etwa 3-4 Jahre alt sein … Geboren ist er 1972 … 1976 gab es doch schon überall die Farbfotografie?! Muss daran liegen, dass er in der, damals noch, ČSSR aufgewachsen ist.
Die anderen 140 (Farb-)Fotos sind aber auch weitgehend interessant und/oder schön anzusehen.
Als (Auto-)Bahn-Bloggerin habe ich selbst Dutzende … nein … Hunderte von Bahnfotos gemacht; insofern meine ich, deren Ästhetik und Aussagekraft ein wenig einschätzen zu können.
… und ich werde Euch hier mehr als nur ein Foto „unterjubeln“, das perfekt passt, aber nicht aus diesem Buch stammt, sondern von mir ist.
So, jetzt sind wir schon eine ganze Weile mit und in diesem Buch unterwegs, und ich habe noch gar nichts zum Verlauf der Reise gesagt. Das werde ich hier auch nicht tun, denn das macht ja schon der Autor selbst, indem die Kapitel entsprechend benannt sind. Den Rest erledigen die beiden besagten Streckenkarten. Aber was ich Euch verrate, das sind die Start- und Endpunkte der Reise durch dieses Buch. Es beginnt mit dem „Wunsch, Eisenbahner zu werden“. Das ist der Startbahnhof, eigentlich für alles. Dann folgen genau 13 Stationen, bis der Zug „In der Bahnhofskneipe“ (mit über 100-jähriger Tradition) einrollt.
Weil ich berufsbedingt und durch die Rezensionen hier auf dem Blog viel lese/n muss, suche ich manchmal Abkürzungen und Umwege zum Ziel. Eine Strategie ist, dass ich mir immer *ein* Kapitel heraussuche, das mich besonders anspricht.
Von den 15 Kapiteln/Stationen bzw. 13 Zwischenhalten ist das hier … hm … „Leben nach Fahrplan“, das vierte Kapitel, aber das auch nur, weil es kein Kapitel gibt, in dem namentlich im Titel ein „Nachtzug“ vorkommt. Nachtzüge sind für mich der Gipfel der sehnsuchtsvollen Bahnromantik und sie werden ja auch im Untertitel (also sozusagen „an der Anzeigetafel“) angekündigt … also werden sie auch irgendwo versteckt durchs Buch fahren … Wobei ja ein Nachtzug (siehe Seite 62/63 und Seite 119) noch von einem Zug mit Schlafwagenabteilen (rollende „Schlafzimmer“) zu unterscheiden ist … Also, ich meine so einen echten Nachtzug, wie z.B. den finnischen, den man auf Seite 73 bestaunen kann. Mit echten Stockbetten, wie es sich gehört. Kein Wunder, dass das Kapitel „Richtung Kuopio“ meine „2. Wahl“ gewesen wäre … — Und ist es nicht überhaupt jammerschade, dass es keine, am liebsten abgegriffenen, „Kursbücher“ mehr gibt?!
In diesem Buch möchte man an x Stellen vor der Ankunft einen Zwischenhalt einlegen, die Atmosphäre genießen und ein bisschen Zeit sinnlos verwarten, bis es wieder weitergeht. Und genau das werde ich jetzt tun.
Jaroslav Rudiš: Zug um Zug durch Europa. Von Nachtzügen, Speisewagen und den schönsten Bahnhöfen. Mit 160 farbigen Fotos, einer Schwarz-Weiß-Abbildung (hab‘ sie gefunden!; siehe oben) sowie zwei Karten. München: Malik in der Piper-Verlag GmbH. © 2021 und 2023. ISBN: 973-3-89029-585-5. EUR 30,00 [D]
In diesem Zusammenhang habe ich gesehen, dass ich ein männliches Pendant zu haben scheine: ein Rezensent dieses Buches, der sich „Der Passagier“ nennt … Hey!, bitte outen Sie sich doch mal mir gegenüber, z.B. bei einer Ihrer nächste Zugfahren zur #fmb oder #lbm.